Stellen Sie sich vor, Sie sind Lektor: Was für ein herrliches Leben, den ganzen Tag nur lesen und dafür auch noch bezahlt werden!
So ähnlich imaginieren manche Autoren das Leben eines Lektors und sind ganz erstaunt, wenn sie erfahren, dass ein Lektor tagsüber gar nicht zum Lesen von Manuskripten kommt, weil er mit Autoren telefoniert, in Konferenzen sitzt, sich mit Grafikern trifft, Werbetexte schreibt oder dem neuen Volontär erklären muss, auf was er zu achten hat, wenn er Manuskripte prüft … Abends nimmt der Lektor sich dann einen ganz kleinen Papierstapel von dem ganz großen Stapel auf dem Schreibtisch und stopft ihn in die Tasche — in der Hoffnung, zu Hause zum Lesen zu kommen. Aber er oder sie weiß, da warten schon die Kleinen.
Also greift unser Lektor in der S-Bahn sitzend in die Tasche und schaut mal rein in die Wundertüte: Und nun stellen Sie sich vor, darin sind auch Ihr Exposé und Ihre Textprobe. Der arme müde Lektor hat etliche Stunden in Konferenzen gesessen, hat sich mit dem Vertrieb über die Gestaltung eines Buchumschlags gestritten, hat wieder mal eine aufgeregte Autorin beruhigt, weil ihr Buch nun nicht an erster, sondern an zweiter Stelle in der Programmvorschau stehen soll. Da sitzt er also, müde, abgeschlagen. Und wenn Ihr Exposé schon in der kurzen Darstellung des Plots so kompliziert geschrieben ist, dass der Lektor zwei- oder dreimal lesen muss, bevor er versteht, um was es in Ihrem Buch geht, dann vergessen Sie’s!
Auch wenn Sie ihn besonders neugierig machen wollen und das Exposé wie einen Werbetext schreiben, der dem Lektor das Ende Ihrer Geschichte vorenthält, dann haben Sie bei den meisten Lektoren keine Chance mehr. Wer will schon die Katze im Sack kaufen? Tatsächlich kursieren Anleitungen zum Schreiben eines Exposés (sogar in Büchern), in denen es heißt, der zusammenfassende Kurztext im Exposé könne wie ein Klappentext geschrieben werden, also ohne das Ende zu verraten. Davon rate ich Ihnen strikt ab. So schwer es Ihnen fällt, fassen Sie die Geschichte kurz und knapp bis zum Ende zusammen. Der Lektor wird Ihnen dankbar sein!
Wollen Sie Ihr literarisches Können schon im Exposé zeigen? Vergebliche Liebesmüh! Schreiben Sie das Exposé in sachlich-informativem Ton. Ihr literarisches Können beweisen Sie im Probetext.
Wird Ihnen nun klar, warum Ihr Exposé perfekt sein muss? Würden Sie gern abends nach getaner Arbeit Texte lesen, die nicht wirklich spannend sind, und allen voran Exposés, die nicht auf den Punkt kommen?